Geschichte

Die evangelischen Täufergemeinden sind Freikirchen mit Geschichte: Sie sind Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden und wurzeln im täuferisch-reformierten Gedankengut. Über die Jahre hinweg haben sich die Gemeinden unterschiedlich entwickelt, Formen wurden verändert und Inhalte neu bewertet. Eines ist jedoch geblieben: Jesus Christus als Zentrum.

Entstehung während der Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert

Die Anfänge der Evangelischen Täufergemeinden (ETG) liegen in den 1830er-Jahren. In dieser Zeit fand in Europa ein geistlicher Aufbruch statt, die sogenannte Erweckungsbewegung. Es entstanden verschiedene evangelische Freikirchen, darunter die ETGs, welche theologisch auf dem reformatorischen Schwerpunkt, das heisst auf der Rechtfertigung allein durch Christus, durch die Schrift, durch die Gnade und durch den Glauben, wurzeln.

Täuferisch-freikirchliches Gedankengut durch Kontakt mit den Mennoniten (Alttäufer)

Die ETG haben keine direkte Verbindung zu den Alttäufern, die sich im 16. Jahrhundert von der Zwingli-Kirche abgespaltet haben und stark verfolgt worden sind. Jedoch standen sie in regem Kontakt zu den Alttäufern und haben sich einen grossteil ihrer täuferisch-freikirchlichen Theologie angeeignet. Dazu gehören insbesondere:

  • Christsein als Lebensgestaltung nach dem Vorbild Jesu. Kernpunkte waren: Einfachheit der Lebensführung, Gerechtigkeit im Umgang mit materiellen Gütern, Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit und Feindesliebe.
  • Gemeinde war für die Täufer die sichtbare Lebensgemeinschaft der Glaubenden. Gemeinde ist die sichtbare Kirche derer, die freiwillig in die Christusnachfolge eingetreten waren und sich auf ihren Glauben hin taufen liessen.
  • Die Täufer traten für eine staatsunabhängige Kirche ein, die Christus und nicht einer menschlichen Obrigkeit die höchste Autorität einräumte. So verweigerten sie im Konfliktfall lieber der Obrigkeit den Gehorsam (Taufe, Eid, Militärdienst).

Aufgrund dieser theologischen Nähe werden die ETG auch als Neutäufer bezeichnet.

Wanderprediger Samuel Heinrich Fröhlich

Die ETG Bern ist durch das Wirken des ursprünglich evangelisch–reformierten Pfarrers Samuel Heinrich Fröhlich entstanden. Auf einer seiner Reisen machte er 1832 auch in Bern halt und predigte das Evangelium. Er vertrat dabei eine evangelischen Grundlage, eine täuferische Nachfolge- und Gemeindetheologie und eine nicht ganz unproblematische Tauftheologie:

  • Getauft sollen nur die werden, die Busse getan haben und glauben, denn nur solche können die Bedeutung der Taufe erfassen.
  • Der Glaube schafft Vergebung der bisherigen Sünden und die Taufe die Ausrottung der innewohnenden Sünde.
  • Die Taufe ist deshalb für Fröhlich für einen heiligen Wandel nötig. Glaube ohne Taufe ist für ihn ebenso wertlos wie Taufe ohne Glaube.

Als er 1950 wieder nach Bern kam, leitete er im Breitenrainquartier eine Versammlung, d.h. einen Gottesdienst. Irgendwann in dieser Zwischenzeit liegt die Enstehung der ETG Bern, welche von den theologischen Ansichten Fröhlichs stark geprägt war.

Am Samstag 16. August 1856 fand unter Beisein von Fröhlich die Einweihung des neu hergerichteten Versammlungssaals in der Enge statt. Der Saal fasste fünfhundert Personen und reichte in der sonntäglichen Versammlung doch nicht für alle Besucher.

Samuel Heinrich Fröhlich
Junkerngasse 28 in der Berner Altstadt

Umzüge und Spaltung der Gemeinde

Später wurden im Saal der „Krone“ an der Gerechtigkeitsgasse, dann an der Aarbergergasse und in Holligen Versammlungen abgehalten. Im Jahre 1871 kaufte die Gemeinde ein Haus an der Junkerngasse 28. Getauft wurde zuerst im „Bubenseeli“ und nachher im Fröschenweiher im Marzili.

Um 1900 entstand auch in Bern eine schmerzhafte Auseinandersetzung zur Frage, in welchem Verhältnis die Gemeinde zur „Welt“ stehen soll. In der Folge trennte sich die Gemeinde 1902 in zwei Gruppen. Die kleinere Gruppe vertrat ein hierarchisches, durch genaue Regeln bestimmtes und weltabgewandtes Verständnis. Diese Gruppe nennt sich bis heute „Gemeinschaft der Evangelisch Taufgesinnten“. Diese Gruppe blieb vorerst an der Junkerngasse, bevor sie nach Münsingen zügelte.

Entstehung des Altersheims

Aus der anderen, grösseren Gruppe entwickelte sich die heutige Evangelische Täufergemeinde Bern (ETG). Die ETG Bern weihte am 15. November 1903 an der Konsumstrasse ihr neues Versammlungslokal ein. Der Gemeinde wurde bald die soziale Not ihrer Gemeindeglieder bewusst, Sozialversicherungen gab es ja noch keine. So errichtete sie neben dem Versammlungslokal ein (Alters-) Heim für Bedürftige, das heutige Betagtenheim Mattenhof, und eröffnete es am 1. Mai 1909.

Stand 1977

Neubau in den 1970er Jahren

Nach diversen Renovationen und Anbauten wurde in den 1970er-Jahren ein Neubau nötig. Dieser entstand gleich neben dem bestehenden Versammlungssaal und Betagtenheim. Sobald der Nebau fertig war, riss man die alten Gebäude ab. Im Mai 1977 bezog die Gemeinde die neuen Gebäude.

1995 wurde das Betagtenheim das letzte Mal im grossen Stil umgebaut. Gleichzeitig wurden zusätzliche Gemeinderäume über dem Versammlungssaal geschaffen.

Weiterentwicklung zu einer evangelischen Freikirche

Die Evangelischen Täufergemeinden (ETG) haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts unter anderem von Samuel Fröhlich's Tauflehre verabschiedet und sich zu einer evangelischen Freikirche entwickelt. Seit 1984 sind diese Gemeinden im Bund der Evangelischen Täufergemeinden zusammengefasst. Der Bund ETG zählt 26 Gemeinden. Davon sind 18 Gemeinden in der Schweiz beheimatet.

Die heutigen ETG-Gemeinden sind autonom organisiert und sind teilweise recht unterschiedlich. In manchen theologischen Fragen, in der Organisation, in den Angeboten und im Frömmigkeitsstil besteht keine einheitliche Ausrichtung.

Zur heutigen Ausrichtung der ETG Bern, siehe "Unser Weg"

Weiterführende Literatur und Schautafeln

- Missionarische Gemeinde werden, der Weg der Evangelischen Täufergemeinde. Von Bernhard Ott, Verlag ETG (erhältlich auch in der ETG Bern)

- Täuferführer der Schweiz, Eine Einladung zum Entdecken von Geschichte und Gegenwart der Täuferbewegung (erhältlich auch in der ETG Bern)